Burse am Graudenzer Tor



Auf zahlreichen alten Ansichtskarten des Graudenzer Tors erkennt man auf der Südseite ein angebautes Gebäude mit einer komplexen – in der zeitgenössischen Literatur seltsam genannten – Architektur, das sich zwischen das Stadttor und die Mauer des evangelischen Friedhofs zwängt.

Dieses Gebäude wurde zu preußischer Zeit als Burse, also Wohnheim für Schüler des örtlichen Gymnasiums, genutzt. Erbaut wurde es vom seit 1855 in Culm lebenden Publizisten und Verleger Julian Prejs (1820-1904), der bis 1865 die Burse leitete.

1929 war Eigentümer des Gebäudes die Stadt, die es ab dem 1. Mai 1929 wegen Einsturzgefahr abreißen ließ. Durch den Wegfall des Gebäudes entstand der noch heute vorhandene Übergang zwischen der Graudenzer Straße (ul. Grudziądzka) und der Bahnhofstraße (ul. Dworcowa), der fortan für den Fahrzeugverkehr bestimmt war. Durch das Stadttor selbst sollten nur noch Fußgänger gehen können.

Quellen:

      • Alfons Mańkowski, Dzieje drukarstwa i piśmiennictwa polskiego w Prusiech Zachodnich wraz z szczegółową bibliografią druków polskich zachodniopruskich, Toruń 1909, S. 45
      • Tageszeitung Słowo Pomorskie, 05.05.1929 [online verfügbar in der Digitalen Bibliothek Kujawien-Pommern]

[Erstveröffentlichung des Beitrags: 10.12.2008]

Schacht’schen Anlagen

Südlich und östlich des Sportplatzes erstreckt sich ein bewaldetes Gebiet, dessen amtliche Bezeichnung seit 1920 Słowacki-Park lautet. Bei genauer Betrachtung erkennt man noch die Spuren der planmäßigen Gestaltung dieser heute eher an einen Wald als an eine Parkanlage erinnernden Fläche.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008Seine Entstehung verdankt der Słowacki-Park einer Initiative des seit 1898 in Culm lebenden Arztes Dr. August Schacht, der aus der Stadt einen Kurort machen wollte, in dem sich vor allem Personen mit Lungenerkrankungen erholen sollten. Zwar besaß Culm eine schöne Lage und zahlreiche Sehenswürdigkeiten, jedoch fehlte es an einer wichtigen Voraussetzung. Es gab in unmittelbarer Nähe der Stadt nur wenige Waldflächen. Daher schlug Schacht eine umfassende Aufforstung stadtnaher Bereiche südlich und nördlich der damaligen Wohngebiete vor. Sein Konzept präsentierte er 1906 in der mit einer beachtlichen Auflage (3000 Exemplare) herausgegebenen Schrift Die Anpflanzung größerer Wald- und Verschönerungsanlagen im Stadtgebiete Culm und Gründung eines Culmer Zweigvereins des Verbandes zur Hebung des Fremdenverkehrs in Ost- und Westpreußen einer breiteren Öffentlichkeit. Durch abgestufte Mitgliedsbeiträge wollte er es allen Einwohnern unabhängig von ihren Vermögens- und Einkommensverhältnissen ermöglichen, sich aktiv im Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs zu betätigen.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008Die tatsächliche Gründung des Vereins am 4. Juli 1906 und die rasche Entfaltung einer umfassenden Tätigkeit belegen, dass die Pläne Dr. Schachts in Culm positiv aufgenommen worden sind. Dr. Schacht wurde am 7. August 1906 erster Vereinsvorsitzender. Zu seinem Stellvertreter wurde Bürgermeister Komoss gewählt. Das Amt des Schriftführers übte Goerz aus, stellvertretender Schriftführer wurde der Lehrer Albert Rehbein und Schatzmeister ein gewisser Kummer. Bereits am 1. September 1906 kaufte der Verein für 5300 Mark ein erstes Grundstück mit einer Fläche von 17 Morgen. Man begann, Spazierwege anzulegen, Aussichtspunkte zu schaffen, Parkbänke aufzustellen und tausende Bäume zu pflanzen. Weitere Flächen wurden erworben, so dass 1907 im nun 45 Morgen (rund 11,25 ha) großen Park, der zu Ehren des Kaisers offiziell Wilhelmshöhe genannt wurde, 45000 Bäume wuchsen. Die nicht unerheblichen Finanzmittel stammten zum einen aus den Mitgliedsbeiträgen, zum anderen aus Spenden vermögenderer Bürger. Als Schenkungen überließen Einwohner dem Verein beispielsweise Sitzbänke und eine kleine Brücke, die den Zugang über den Bach Fribbe (poln. Browina) zum neuen Park ermöglichte. Der Verein organisierte außerdem Theatervorführungen, deren Erlös zur Finanzierung des neuen Parks eingesetzt wurde.

Während des Ersten Weltkriegs dürfte das Vereinsleben zum Ruhen gekommen sein, denn nach der polnischen Unabhängigkeit musste die neue Verwaltung, die den Park nach dem polnischen Nationaldichter Juliusz Słowacki benannte, umfangreiche Pflegearbeiten vornehmen, um der nach ihrem Begründer auch als Schacht’sche Anlagen bezeichneten Fläche wieder ihren alten Glanz zu verleihen. Ein Parkwächter sorgte dafür, dass die Nutzungsordnung eingehalten wurde. So war es verboten, im Park Blumen zu pflücken, Pilze zu suchen und zu reiten.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008 - Gedenkstein für Rehbein und SchachtIn dieser Zeit betreute den Park die Towarzystwo Przyjaciół Chełmna (Gesellschaft der Freunde Culms), die im Mai 1929 zu Ehren Dr. Schachts, der nach dem Krieg die Stadt verlassen hatte, sowie des Lehrers Rehbeins einen Gedenkstein errichtete, der die polnische Inschrift trug:

Park ten założył
lekarz Dr. Schacht
r. 1906
a upiekszył nauczyciel
Rehbein
1906-1917
[Tow. Przyj. Chełmna 1929]

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008 - Gedenkstein für Rehbein und SchachtÜbersetzt bedeutet dies:

Diesen Park legte
der Arzt Dr. Schacht
im Jahr 1906 an
und der Lehrer
Rehbein verschönerte ihn
von 1906-1917
[Gesell. d. Freunde Culms 1929]

Der im Laufe der Jahrzehnte beschädigte Gedenkstein wurde 1996/1997 erneuert. Damals wurde auch sein Standort leicht verändert. Er befindet sich jetzt etwa 50 m östlich der Zufahrt zum Sportplatz. Heute nicht mehr vorhanden ist der unterste Teil der Inschrift „Tow. Przyj. Chełmna 1929”.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Organisation mehr, die den Słowacki-Park ständig betreute. Im Rahmen sog. Subbotniks, also vorgeblich freiwilliger und unbezahlter Arbeitseinsätze der Bevölkerung, wurde das Gelände gepflegt. Aus dieser Zeit dürften die Geländer an den noch gut erhaltenen Treppen sowie die Brüstung der im Sommer 2008, als die hier präsentierten Fotos entstanden sind, wegen Baufälligkeit gesperrten Brücke stammen.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008An manchen Stellen erkennt man noch Fundamente gegenwärtig nicht mehr vorhandener Parkbänke. Im Großen und Ganzen hat der Park seine ursprüngliche Bedeutung völlig verloren. Relativ abseits gelegen, wird er nur von wenigen Spaziergängern genutzt. Ein Ziel des von Dr. Schacht 1906 vorgestellten Konzepts ist jedoch erreicht worden. Zwar hat sich die Stadt nicht zu einem Kurort entwickelt, jedoch mit dem verwilderten Park einen Stadtwald erhalten, der angesichts der ständig wachsenden Wohngebiete für kommende Generationen sicherlich einen wertvollen Naherholungsraum darstellen wird.


Quellen:
Anna Soborska-Zielińska, Parki i ogrody Chełmna, Chełmno 1999, S. 19-21 (Park Słowackiego)

Anna Soborska-Zielińska, Obelisk pamiątkowy poświęcony założycielowi Parku Słowackiego doktorowi Schachtowi i nauczycielowi Rehbeinowi, in: Chełmińskie pomniki i tablice pamiętkowe, Chełmno 2001, S. 51-53

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 28.12.2008]

Kriegerdenkmal

Kriegerdenkmal aus dem Jahr 1889 in ChełmnoDenkmäler errichtet man in der Regel für die Ewigkeit. Infolge politisch-gesellschaftlicher Veränderungen werden sie aber nicht selten als Relikte früherer Epochen bereits nach relativ kurzer Zeit durch dem gerade aktuellen Zeitgeist genehme Symbole ersetzt.

Als Beispiel für derartige Entwicklungen kann das 6,58 m hohe Kriegerdenkmal dienen, das auf dem Culmer Marktplatz südwestlich des Rathauses laut seiner Inschrift den tapferen Kriegern aus Stadt und Kreis Culm zum ehrenden Andenken angefertigt und am 18. August 1889 unter der Beteiligung von rund 3000 Einwohnern und Gästen feierlich (für heutige Begriffe mit patriotischem Pathos) enthüllt wurde. Die ersten beiden Postkartenausschnitte zeigen das Kriegerdenkmal an seinem ursprünglichen Standort. Die oberhalb der Felder mit den Inschriften erkennbaren runden Medaillons enthalten Porträts damals in Preußen bedeutender Persönlichkeiten – Wilhelm I., Friedrich II., General Helmuth von Moltke und Otto von Bismarck.

Kriegerdenkmal in Chełmno (Culm)Mit einem Metallzaun umgeben, stand das Denkmal, das an den Tod der in den Kriegen 1864, 1866 und 1870/71 gefallenen Soldaten Rudolf Meier, Martin Friedrich Bensemann, Johann Sobiechewski, Richard Consentius, Ernst Philipp Gottlieb Lange, Paul Ernst Albert Raabe, Emil Carl Leitreiter, Johann Stephan, Gottlieb Fuchs, Ferdinand Julius Bundt, Wilhelm Heuser, Karl Schlag und Franz Urbanski erinnerte, über 30 Jahre lang bis zum Ende der preußischen Ära im Jahr 1920 auf dem Marktplatz.

Nachdem der erste polnische Bürgermeister Dr. Ottomar Krefft am 20. Januar 1920 offiziell die Geschäfte von seinem deutschen Amtsvorgänger übernommen hatte, wurde bereits am 11. Februar der Beschluss gefasst, das Kriegerdenkmal vom Markt der nun zum polnischen Staat gehörenden Stadt Chełmno zu entfernen. Die Demontage übernahm der örtliche Maurermeister Władysław Płuciński. Die wichtigsten Bestandteile des Denkmals, nämlich die Granitblöcke, wurden auf den evangelischen Friedhof östlich der Altstadt verbracht und der Metallzaun im Wasserturm an der ul. Dominikańska deponiert. Da offensichtlich keine kurzfristige Einigung mit der evangelischen Kirchengemeinde über das weitere Schicksal des Denkmals erzielt wurde, ordnete die Stadtverwaltung 1923 an, es wieder vom Friedhof zu nehmen und im Wasserturm oder einem anderen Lagerort abzustellen. Schließlich kam es offensichtlich doch zu einer Verständigung mit der vorwiegend aus Angehörigen der deutschen Minderheit bestehenden evangelischen Kirchengemeinde mit Pastor Johannes Frese an der Spitze, die das Denkmal 1930 feierlich auf ihrem Friedhofsgelände aufstellte, und zwar in unmittelbarer Nähe von Gräbern im Ersten Weltkrieg gefallener Soldaten am Hauptweg des Friedhofs, der von der ul. Dworcowa bis zur ul. 3 Maja führte.

Kriegerdenkmal von 1889 ab 1940 am Landratsamt in Culm - ChelmnoAber auch dort fand das Kriegerdenkmal nur für gut ein Jahrzehnt eine neue Heimat. Nach der im September 1939 erfolgten Besatzung der Stadt Chełmno durch das Dritte Reich suchten die nationalsozialistischen Machthaber einen Ersatz für das polnische Grab des unbekannten Soldaten. Da den NS-Ideologen ein Denkmal für tapfere Krieger mehr zu taugen schien als die zu preußischer Zeit hier platzierte Büste von Kaiser Friedrich III., stellte man nicht wieder ein Kaiserdenkmal auf, sondern verlegte (wahrscheinlich im Jahr 1940) das Kriegerdenkmal vom nahe gelegenen Friedhof auf den Platz neben dem Landratsamt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal beseitigt und der Vorkriegszustand durch die erneute Anlage des Grabs des unbekannten Soldaten wieder hergestellt. Das Kriegerdenkmal wurde nun endgültig zerstört, indem es zersägt und seine Einzelteile unterschiedlichen Zwecken zugeführt wurden.

Quellen:

  • Soborska-Zielińska, Anna: Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 16 ff. (Pomnik wojaków)
  • Bilder: Postkarten aus moje-chelmno.pl

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 22.03.2008]

Gedenkstein auf evangelischem Friedhof

Am 5. August 1995 wurde auf dem Gelände des ehemaligen evangelischen Friedhofs ein Gedenkstein enthüllt, der folgende Aufschrift in deutscher und polnischer Sprache trägt:

Gedenkstein evangelische Gemeinde Chełmno (Culm) - Foto: September 2018ZUM GEDENKEN AN DIE HIER SEIT GENERATIONEN RUHENDEN DER EVANGELISCHEN GEMEINDE
RUHET IN GOTT
KULM AUGUST 1995

Unterhalb des Gedenksteins befindet sich eine Steinplatte mit der ebenfalls zweisprachigen Inschrift:

EHEMALIGE EINWOHNER DER STADT KULM UND DES KULMER LANDES

Lage des evangelischen und des jüdischen Friedhofs in ChełmnoDie Enthüllung des nach einem Entwurf von Horand Henatsch und Jerzy Kałdowski angefertigten Gedenksteins wurde von einem umfangreichen Programm begleitet, an dem Vertreter der Stadt Culm (Chełmno), der niedersächsischen Partnerstadt Hann. Münden sowie ehemalige deutsche Einwohner von Culm teilnahmen. Zunächst fand ein ökumenischer Gottesdienst in der Dominikanerkirche (Peter- und Paulskirche) statt. Danach erfolgte die offizielle Begrüßung der Gäste im Rathaus durch den Culmer Bürgermeister Piotr Mittelstaedt. Das Wort ergriffen ebenfalls Horand Henatsch als Vertreter der ehemaligen deutschen Bewohner Culms sowie Armin Hoffarth, der Bürgermeister von Hann. Münden.
Jerzy Kałdowski berichtete über die Geschichte des evangelischen Friedhofs in Culm.
Dieser wurde östlich der Altstadt 1785 auf einer von König Friedrich II. gestifteten Fläche angelegt und während seiner 160 Jahre dauernden Nutzung mehrfach in Richtung Süden erweitert. In seiner Spätphase reichte er von der ul. Dworcowa bis zur al. 3 Maja und nahm ab 1904 auch die Fläche des heutigen Spielplatzes zwischen al. 3 Maja und Stadtmauer ein. Über dem Haupttor zum Friedhof an der ul. Dworcowa befand sich die Inschrift „Eingang zur Ruhe“. Bestattungen fanden bis 1945 statt. Danach verwilderte der Friedhof. Im Zeitraum 1947-1950 wurde der Entschluss gefasst, den Friedhof vollkommen zu beseitigen. Die Gräbsteine wurden entfernt, die Friedhofsmauer an der Westseite sowie an der ul. Dworcowa abgebrochen. 1951 wurde schließlich ein Park angelegt, für den sich nach der Aufstellung des Rydygier-Denkmals in seinem Nordteil allgemein die Bezeichnung Rydygier-Park einbürgerte.

Quellen:

  • Czacharowski, Antoni (Hrsg.), Atlas historyczny miast polskich, Tom I, Prusy Królewskie i Warmia, Zeszyt 3 Chełmno [Historischer Atlas polnischer Städte, Band I, Königliches Preußen und Hochstift Ermland, Heft 3 Kulm], Toruń 1999
  • Soborska-Zielińska, Anna: Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 194 ff. (Kamień upamiętniający dawny cmentarz ewangelicki)
  • Soborska-Zielińska, Anna: Parki i ogrody Chełmna, Chełmno 1999, S. 23 (Park Rydygiera)

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 28.09.2008]

Culmer Hof

Culmer Hof Bis 1984 zierte die östlichste Ecke der Nordseite des Culmer Marktplatzes das Gebäude des ehemaligen Culmer Hofes, eines Hotels und Restaurants, in dem 1913 der junge Kurt Schumacher Tanzunterricht* genommen hat. Auf der Postkarte auf dem frühen 20. Jahrhundert erkennt man links neben dem an der Straßenecke stehenden Hotel ein Gebäude mit der Aufschrift Robert Frohnert (übrigens ein Onkel Kurt Schumachers), das später Teil des umgebauten Culmer Hofes wurde.

Culmer Hof - Anzeige aus dem Jahr 1904Dadurch erhielt das Hotel, das nach 1919 Dwór Chełmiński genannt wurde (die deutsche Bezeichnung wurde also wortwörtlich ins Polnische übernommen) und nach Angaben in einem Reiseführer aus dem Jahr 1929 (Jan Grabowski, Przewodnik po Chełmnie) 40 Betten besaß, zum Markt hin eine breitere Fassade.

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das ehemalige Hotel lange Jahre dem Landkreis und später der Stadt als Kulturhaus, bis es in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 1984 einem Feuer zum Opfer fiel und abgerissen werden musste. Seitdem klafft dort eine weit sichtbare Lücke.

Anfang der neunziger Jahre erwarb ein Geschäftsmann das Grundstück. Leider versäumte es die Stadtverwaltung, dem Erwerber im Kaufvertrag eine bestimmte Frist für die Bebauung zu setzen. Alle paar Jahre findet man einen Artikel in der Lokalpresse über das Schicksal dieses Grundstücks und die (vermeintlich konkreten) Pläne des neuen Eigentümers, aber die Jahre verstreichen, ohne dass sich irgendetwas tut.

Entstanden sind lediglich ein das Grundstück umgebender Zaun, der immer unansehnlicher wird, und leider eine noch mehr Blicke auf diese Stelle ziehende Werbetafel, auf der ein örtlicher Supermarkt sein aktuelles Angebot anpreist (siehe Foto des Grundstücks vom 13. Januar 2008: man war gerade dabei, ein neues Plakat aufzukleben).

Der Stadt sind die Hände gebunden, denn sie hat keine rechtlichen Möglichkeiten, den Eigentümer zu zwingen, den Neubau in Angriff zu nehmen. Der derzeit geltende Bebauungsplan gestattet es übrigens, dieses Grundstück für „Tourismus, Verwaltung und Handel“ zu nutzen, setzt also keine besonderen Beschränkungen. Um das historische Stadtbild zu erhalten, sieht er jedoch vor, dass sich der zukünftige Bauherr und sein Architekt am historischen Vorbild des Culmer Hofes orientieren und ihre Planung mit der Denkmalschutzbehörde abstimmen müssen.

* laut Peter Merseburger, Der schwierige Deutsche Kurt Schumacher, Stuttgart 1995, S. 17
Die Abbildungen des Culmer Hofes stammen aus der Publikation Chełmno na starej pocztówce – Chełmno auf alten Postkarten, herausgegeben im Jahr 2000 vom Museum des Culmer Landes

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 15.01.2008]

Bismarckturm

Den 1909 vor den Toren der Stadt Culm errichteten und 1920/1921 abgetragenen Bismarckturm beschreibt ausführlich die Website bismarcktuerme.de. Man findet dort einige Abbildungen und nähere Angaben zum Bau des Turms sowie einen Bericht über die mit großem Pomp veranstaltete Einweihungsfeier.
Bismarcktürme zu errichten, kam in den letzten Jahren Preußens in Mode. In der Region gab es derartige Denkmäler noch in Bromberg (Bydgoszcz) und in Thorn (Torun).

Nach Wiederentstehung des polnischen Staates begann man, einen Freiheitshügel aufzuschütten. Seit November 1998 befindet sich hier das Unabhängigkeitsdenkmal.

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 11.12.2007]

Saatguthandel Wolff Ruhemann

Saatguthändler Wolff Ruhemann in Culm an der Weichsel 1878Der in Culm ansässige Saatguthändler Wolff Ruhemann, Vater des Bankiers Arnold Ruhemann, weist in dieser Kleinanzeige in der polnischen Tageszeitung Gazeta Toruńska vom 30. Januar 1878 auf die behördliche Qualitätskontrolle hin, der das von seiner Firma angebotene Saatgut unterliegt. Seine anscheinend in der ganzen Region ansässige Kundschaft bittet der Kaufmann, umgehend zu bestellen, damit er – anders als in der vorherigen Saison – alle Bestellungen ausführen und nicht wegen ihres verspäteten Eingangs zurückweisen müsse. Ruhemann bietet an, Saatgutproben und Preislisten frei Haus zu verschicken.

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 02.11.2008]

Stelen in Neuer Promenade – Geschenke von Arnold Ruhemann und Wolfgang Geiger

In der Neuen Promenade (poln. Nowe Planty), der sich in der Nähe des Graudenzer Tores an der Wehrmauer erstreckenden Parkanlage, befinden sich auf der Fläche nördlich des Springbrunnens zwei kunstvoll gefertigte Stelen, die 1893 von zwei seinerzeit prominenten Einwohnern der Stadt Culm gestiftet worden sind. Von der Schenkung zeugen Inschriften in deutscher Sprache, die sich jeweils am Sockel jeder Stele befinden. Diese Dekorationselemente erkennt man bereits auf alten Postkarten der Neuen Promenade.

Stele in der Neuen Promenade in Chełmno - Geschenk von A. Ruhemann

Die eine Stele trägt die noch gut erkennbare Inschrift Geschenk des A. Ruhemann. Gestiftet wurde sie vom Bankier Arnold Ruhemann, der in einer Familie jüdischer Herkunft am 20. November 1836 in Culm geboren wurde. Bereits sein Vater Wolff war als Kaufmann in Culm ansässig und betrieb einen Baustoff- und Saatguthandel.

Verlobung Arnold Ruhemanns 1866 in Culm an der WeichselSeit dem 13.09. 1847 besuchte Arnold Ruhemann das Königlich Katholische Gymnasium in seiner Heimatstadt. Sein Name ist aber nicht im Verzeichnis der Abiturienten dieser Schule aufgeführt. In der Ausgabe der in dieser Zeit dreimal wöchentlich erscheinenden Zeitung Nadwiślanin vom 13. April 1866 findet man eine Anzeige Arnold W. Ruhemanns. Er gibt seine Verlobung mit Fräulein Henryeta Lehmann aus Stargard bekannt. Der Bankier gehörte viele Jahre lang der Stadtverordnetenversammlung an und übte auch das Amt ihres Vorsitzenden aus. 28 Jahre lang war er Mitglied der St. Trinitatis-Schützengilde. Er verstarb am 25. Mai 1895 im Alter von 58 Jahren in Culm und wurde auf dem örtlichen jüdischen Friedhof beigesetzt, der später während der NS-Zeit vollständig zerstört worden ist.

Stele in der Neuen Promenade in Chełmno

Die andere Stele ist ein Geschenk des Brauereidirektors Wolfgang Geiger. Davon zeugt die noch gut leserliche Inschrift Geschenk des W. Geiger. Er stammte aus dem Raum Landshut in Bayern und arbeitete dort für eine kleine Brauerei. Danach ging er anderthalb Jahre lang auf Wanderschaft und stieß schließlich in Culm auf seinen bayerischen Landsmann Aloys Höcherl sen., der seit 1859 als Braumeister für den Rittergutsbesitzer Ruperti in der Gutsbrauerei im wenigen Kilometer von Culm entfernten Grubno tätig war. 1874 machte Höcherl sich selbständig und kaufte mit seiner Frau eine stillgelegte kleine Brauerei in der Stadt Culm, die sich als Höcherlbrauerei über die Jahrzehnte zu einem bedeutenden Bierproduzenten entwickelte.

Stele in der Neuen Promenade - gestiftet von Wolfgang Geiger


Aloys Höcherl sen. stellte Wolfgang Geiger als erste Hilfskraft in seiner eigenen Brauerei an der Bischofsstraße (ul. Biskupia) an. Bereits 1884 verstarb der Brauereibesitzer im Alter von nur 54 Jahren. Zu dieser Zeit hatte die Höcherlbrauerei bereits eine erhebliche regionale Bedeutung erlangt und war für ihre Biere mehrfach ausgezeichnet worden. Dank der 1883 fertig gestellten Schienenstrecke nach Kornatowo und den Anschluss der Stadt an die Weichselstädtebahn wurde die Voraussetzung für eine Ausweitung des Absatzgebiets der Brauerei geschaffen. Die Höcherlbrauerei konnte so ihre Biere beispielsweise auf Ausstellungen in Danzig (Gdańsk), Königsberg (Kaliningrad), Köln und Paris präsentieren.

Stiftung Wolfgang Geigers - Stele in der Neuen Promenade in Chełmno

Nach dem Tode des Brauereigründers übernahm zunächst seine zehn Jahre jüngere Frau Anna die Geschäftsführung und verstand es, den Umsatz durch geschickte Werbung weiter zu steigern. Langfristig sollte ihr Sohn Aloys Höcherl jun. die Leitung des Betriebs übernehmen. Wenige Jahre nach dem Tod ihres Mannes heiratete Anna Höcherl ein zweites Mal, und zwar den mittlerweile zum Braumeister und technischen Leiter der Brauerei aufgestiegenen Wolfgang Geiger. Er verhalf gemeinsam mit seiner Gattin Anna Höcherl-Geiger, die weiterhin für die kaufmännische Leitung zuständig war, der Brauerei zu einem kräftigen Wachstum. Nachdem Aloys Höcherl jun. sich entschieden hatte, das elterliche Unternehmen nicht übernehmen zu wollen, wandelte die Familie die Brauerei 1896 in eine Aktiengesellschaft um. 1897 wurde der Betrieb für 3,4 Mio. Mark an das Dresdner Bankhaus Arnhold verkauft. Kaufmännischer Direktor wurde Gustav Sauter. Wolfgang Geiger wurde zum technischen Direktor ernannt. Aloys Höcherl jun. und Franz Höcherl, die Söhne des Firmengründers, die mittlerweile in Danzig-Oliva wohnten, wurden in den Aufsichtsrat berufen. Anna Höcherl-Geiger zog sich aus dem Geschäftsleben zurück. Sie verstarb 1902.

Todesanzeige Wolfgang Geiger

Über Wolfgang Geiger liegen mir für die weiteren Jahre leider keine näheren Informationen vor. Nach der Eingliederung Culms in den neu erstandenen polnischen Staat im Jahr 1920 wurde die Höcherlbrauerei als Aktiengesellschaft unter der Bezeichnung Browary Chełmińskie Tow. Akc. weitergeführt. Die beiden Söhne des Firmengründers, nämlich Franz und Aloys jun., gehörten zunächst weiterhin dem Aufsichtsrat an. Wolfgang Geiger hat wahrscheinlich die ganzen Jahre über in Culm gelebt. Am 24. Januar 1925 erschien in der polnischen Tageszeitung Słowo Pomorskie eine Todesanzeige mit folgendem Wortlaut:

Nach langem Leiden verstarb, mit den heiligen Sakramenten versehen, am 20. Januar 1920 der langjährige Direktor unserer Brauerei Wolfgang Geiger im Alter von 77 Jahren. Die Beerdigung findet in Chełmno (Culm) am Freitag, den 23. Januar 1925, um 2.30 Uhr nachmittags statt.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren!
Browary Chełmińskie Tow. Akc. Chełmno
Aufsichtsrat – Direktion – Mitarbeiter

Am 29. Januar 1925 würdigt dieselbe Tageszeitung in einer kurzen Meldung mit folgenden Worten den Verstorbenen:

Die Stadt verliert einen loyalen Bürger und die örtlichen Armen einen freigiebigen Wohltäter. Die Philanthropie der Familie Geiger ist im ganzen Culmer Land bekannt. Der aus Bayern stammende Wolfgang Geiger kam vor etwa 20 Jahren nach Culm, wo er sich niederließ und eine Polin heiratete. Das prächtige Begräbnis, mit dem er gewürdigt wurde, zeugt davon, dass er viele Freunde nicht nur unter seinen Landsleuten, sondern auch unter der örtlichen polnischen Bevölkerung hatte.

Betrachtet man diesen kurzen Artikel, scheint es möglich zu sein, dass Wolfgang Geiger nach dem Tode von Anna Höcherl-Geiger erneut geheiratet hatte.

Stelen in der Neuen Promenade in Chełmno - 2008
Anordnung der Stelen in der Neuen Promenade – Foto vom 31. Mai 2008


Quellen:

  • Anna Soborska-Zielińska, Z dziejów gminy żydowskiej w Chelmnie (From the history of Jewish community in Chełmno), Chełmno 2007, S. 21 f, 114
  • Joseph Funcke, Die Höcherlbrauerei in Culm a. d. Weichsel, in: Westpreußen-Jahrbuch, Band 33, Münster 1983, S. 147-155

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 09.06.2008]